Der Beweis: Erlangen lebt!
Mit den Kulturkommissaren unterwegs: Die diesjährige »Arena«-Koproduktion führt durch die Stadt

Was Linda Best zu bieten hat, ist fast zuviel des Guten. Die Kundinnen, die an ihrem Schalter im CineStar eine Stadtführung buchen wollen, sind überfordert mit der Frage: "Welche Seite von Erlangen würden Sie denn gerne sehen?" Die Außen - oder die Innenseite stehen zur Debatte, aber wer es sich einfacher machen möchte, entscheidet sich für die nächstmögliche, noch nicht ausgebuchte Tour von ,Erlangen lebt". Die einzigartigen Stadtführungen sind Teil des "Arena 99"-Festivals.
Tilmann Meyer-Faje führt eine Gruppe vom Neuen Markt zum Unigebäude am Schloßplatz. Im 14. Stock des Rathauses, von wo der Blick über Siedlungen und Kraftwerk am besten ist, wird er richtig poetisch, spricht von der "Wohnlichkeit", die die Hochhäuser am Horizont ausstrahlen.
Ernsthaft erklärt er die Lebendigkeit ausstrahlenden Spiegelbilder im wie ausgestorben wirkenden Einkaufszentrum oder die historische Deckenbeleuchtung aus den 60er Jahren im Horten-Restaurant. So seriös der junge Mann wirkt, so ironisch klingen seine Erklärungen. Auf dem Weg zum "geographischkulturellen" Mittelpunkt Bayerns (irgendwo in der Fahrstraße) streift er die Neuapostolische Kirche, die er "stilgenetisch" mit Siemens in Verbindung bringt, macht Halt in der Mensa, die angeblich deutschen Autobahnraststätten nachempfunden wurde.
Was Meyer-Faje erzählt, wird meist Lügen gestraft, von dem, was er zeigt. Dabei hat er seine Formulierungen aus Image-Schriften der Stadt oder Reisebüchern. Er selbst lebt in Amsterdam, ist einer der "Kulturkommissare", die auszogen, um innerhalb der diesjährigen Arena-Koproduktion, zu zeigen: "Erlangen lebt". Die Beweisführung sollte man sich nicht entgehen lassen.
Nochmals heute 15 Uhr, ab CineStar, Hotline: 09131 8100815

Abend Zeitung
Datum: 10. / 11. Juli 1999
Ressort: Kultur
Autor: uma

 

Eine freche Mischung
Extra-Stadtführung "Erlangen lebt"

 

Wem die Zeit bis zur ersten Vorstellung zu lang wurde, konnte sich am Nachmittag einer der Extra-Stadtführungen ("Erlangen lebt!) anschließen, und die haben es teilweise faustdick hinter den Ohren. Treffpunkt ist der Infoschalter im Filmpalast CineStar Dort werden die Grüppchen eingeteilt, vorher jedoch auf das unterschiedliche Motto jeder Führung hingewiesen.
Das Thema unserer Führung lautete etwas angestrengt "Wann und wo kann und darf Kunst stattfinden" oder so ähnlich, was bevorstehende Hirnarbeit suggerierte. Daß man darüber hinaus gut zu Fuß sein mußte (die Strecke ging durch die halbe Stadt), hatte einem niemand gesagt.
Egal, Von Uli Schuster, einem offiziellen Stadtführer des Verkehrsvereins, wurde unser Grüppchen in Saal 7 des CineStars geführt; dort gab es ...nichts zu sehen, und das bei völliger Dunkelheit."Zentralperspektive fürBlinde" hieß der dunkle Streifen im dunklen Kino. Durch den Notausgang entlassen, ging es über die Nümberger Straße zum Beginn der Hauptstraße, zur im Boden eingelassenen "Nürnberger Tor"-Platte. Eine Hochbahn, so erfährt man, soll hier einmal entlang führen, über der Stadtmauer bis zum Bahnhof. Das waren die 80er Jahre.
Weiter, ehemalige Ritterakademie (heute Kaufhof) touristisch klar; ein seltsamer kleiner Kasten an einer Ecke des Marktplatzes gab als nächstes Rätsel auf: Welche Funktion erfüllte einstmals dies, jetzt von den Marktfrauen als Ablageplatz gebrauchte Ding? "Dess woor amol a Dellefonkasdn" half ein vorbeikommender älterer Herr weiter.
Und wieder weiter findige Unternehmeridee oder froher Schalk? Das Büro der ehemaligen Glocken-Lichtspiele (im wunderbar scheußlichen 70er-Jahre-Dekor) beherbergt jetzt ein Reisebüro, das ausschließlich Ausflüge in die Partnerstädte Erlangens vermittelt. Wie es dort aussieht, wird anschaulich mittels Dia-Projektion verdeutlicht. Ein altes Telefon, keine elektronische Datenverarbeitung - ein schlitzohriges Potemkinsches Büro ist das.
Schließlich noch Versammlungs- wie Fechtsaal der Bubenreuther Burschenschaft und der Redaktionaaum der "Arena"-Zeitschrift-Redaktion im alten Schwesternwohnheim in der Östlichen Stadtmauerstraße. Jetzt kennt man sich aus in Erlangen, dank dieser launigen Führung mit ihrer frechen Mischung aus Fakten und Aktion.

Erlanger Nachrichten
Datum: 09. Juli 1999
Ressort:Erlanger Kultur
Autor: Manfred Koch
Anmerkung: Dieser Bericht ist ein Ausschnitt eines längeren Artikels